FAQ: Schülerinnen und Schüler
Ist die Netzwerk-Schule für alle Kinder geeignet?
Wir sind durch vielfältige internationale Erfahrungen davon überzeugt, dass eine demokratische Umgebung für die allermeisten Kinder eine geeignete Lernumgebung darstellt. Sowohl für den Erwerb kongnitiver Kompetenzen als auch für die Entwicklung sozialer Verhaltensweisen ist eine Kultur der Mitbestimmung sehr förderlich. Der britische Schulforscher Derry Hannam (s. Literatur am Ende der Konzeption) hat in einer Studie festgestellt, dass Schüler*innen unabhängig von intellektueller Begabung und sozialer Herkunft in mehrfacher Hinsicht von partizipativen Strukturen an ihren Schulen profitieren. Sie profitieren hinsichtlich ihres inneren Wachstums (Selbstbewusstsein, Motivation, Empowerment), ihrer Sozialkompetenzen (Kommunikation, Kooperation, Verantwortungsbereitschaft) und hinsichtlich ihrer akademischen Leistungen.
Fremdbestimmung durch vorgegebenen Unterrichtsstoff, starre Zeitraster und weitere unbeeinflußbare Regeln stellen hingegen eine massive Störung bei der Entwicklung sozialer und kognitiver Kompetenzen dar. Demokratische Schulen sind allerdings keine therapeutischen Einrichtungen. Für Schüler*innen mit schwierigen Biographien, aggressiven Verhaltensauffälligkeiten oder traumatischen Erfahrungen müssen – mindestens in einer Übergangszeit – besondere Unterstützungsmaßnahmen in Kooperation mit der Netzwerk-Schule organisiert werden. Es gibt Beispiele Demokratischer Schulen, die sehr erfolgreich mit solchen Schüler*innen gearbeitet haben – nachdem das staatliche Schulsystem ihnen nicht helfen konnte.
Können Kinder mit der Freiheit umgehen, die sie in der Netzwerk-Schule haben?
Kinder, die von Anfang an eine Demokratische Schule besuchen, kommen sehr gut mit der Freiheit zurecht. Sie besitzen meist ein stabiles Selbstvertrauen und handeln verantwortungsvoll. Sie setzen sich hohe Lernziele und erreichen diese.
Kinder, die zuvor auf einer traditionellen Schule waren oder deren Eltern ihnen weniger vertrauen, haben manchmal Schwierigkeiten, mit der neuen Freiheit umzugehen. Sie waren es bisher gewohnt, gesagt zu bekommen, was sie tun sollen. Nach einer Zeit des Entdeckens ihrer neuen Freiheit, langweilen sie sich oft und erwarten, dass ihnen jemand sagt, womit sie sich beschäftigen sollen. Diese Phase ist wichtig, denn sie führt dazu, dass sie sich irgendwann die entscheidende Frage stellen: „Was will ich eigentlich?“ Das ist der Zeitpunkt, ab dem sie beginnen, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen. Danach kommen auch sie gut mit der Freiheit zurecht und fangen an, aufzublühen. Das zeigen die umfangreichen Erfahrungen anderer Demokratischer Schulen.
Brauchen Kinder nicht eine Struktur, um sich orientieren zu können?
Demokratische Schulen sind sehr strukturiert. Die Strukturen beziehen sich auf die Organisation der Schule und auf die Regeln des Zusammenlebens. So existieren bestimmte schulische Institutionen, wie die Schulversammlung, Komitees mit bestimmten Verantwortlichkeiten, Arbeitsgemeinschaften mit definierten Rechten usw. Für das individuelle Verhalten gibt es Regeln, bspw. darf man andere nicht bei ihren Beschäftigungen stören. Es gibt klare Strukturen, wie Entscheidungen getroffen werden, welche Regeln gelten, wie Regeln eingeführt, abgeschafft oder verändert werden, wie mit Regelverletzungen umgegangen wird, wie Mitarbeiter*innen gewählt werden etc.
Demokratische Schulen haben im Allgemeinen weit mehr Regeln als herkömmliche Schulen. Sie dienen der Entstehung und Pflege einer angenehmen Schulkultur ohne den Einzelnen unnötig einzuschränken. Häufig wird beim Begriff „Freie Schule“ an die grenzenlose Freiheit jedes einzelnen Schülers gedacht. Das ist in Demokratischen Schulen nicht gegeben.
Was ist mit Kindern mit Behinderungen?
Kinder mit Behinderungen in eine Demokratische Schule zu integrieren, ist eine besondere Herausforderung. Wir wollen Kindern mit Behinderungen die Teilnahme an unsere Schule ermöglichen.
Dafür wirken Mitarbeiter*innen mit entsprechender sonderpädagogischer Ausbildung in der Schule mit. Um den entsprechenden Kindern gerecht zu werden, müssen alle Mitarbeiter*innen einen entsprechenden Kompetenz-Transfer untereinander durchführen.
Wenn Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam leben und lernen, müssen individuelle, sog. binnendifferenzierte Lerngelegenheiten vorhanden sein. Diesem Grundsatz entspricht das Konzept der Demokratischen Schulen von vornherein.
Werden Kinder in der Netzwerk-Schule nicht überfordert?
Die Frage nach der Überforderung zielt auf zweierlei ab. Einerseits wird befürchtet, dass Kinder zuviele verantwortungsvolle Aufgaben im Rahmen der Schulorganisation übernehmen müssen, andererseits wird bezweifelt, dass alle Schüler*innen die Herausforderung bewältigen, ihr Lernen selbst zu gestalten.
Kein Kind wird in der Netzwerk-Schule genötigt, Verantwortung zu übernehmen, wenn es sich damit überfordert fühlt. Die Teilnahme an der Schulversammlung ist freiwillig. Die Verantwortung für die Verwaltung der Schule liegt in den Händen der Mitarbeiter*innen. Schüler*innen haben ein Recht, sich daran zu beteiligen, es besteht jedoch keine Pflicht dazu.
Für sein Lernen selbst zuständig zu sein, ist tatsächlich eine Herausforderung. Diese muten wir den Kindern zu. Wir sind der Meinung, dass Kindern in herkömmlichen Schulen zuwenig Verantwortung zugetraut wird.
Bezüglich ihres Lernens fordern sich Schüler*innen an Demokratischen Schulen mehr heraus und streben höhere Leistungen an, als dies in herkömmlichen Schulen durch den Lehrplan erwartet wird. Sie gehen an ihre individuellen Leistungsgrenzen.
Es kann natürlich vorkommen, dass Kinder überfordert sind – z.B., dass sie sich langweilen oder ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen. Wenn dies nicht zum Dauerzustand wird, sind das wertvolle, menschliche Erfahrungen. Man lernt seine Grenzen kennen und entwickelt ein realistisches Selbstbild.
Die Mitarbeiter*innen werden in diesen Fällen sensibel mit den Schüler*innen umgehen. Durch die angstfreie Atmosphäre und die vielfältigen sozialen Netzwerke (Bezugsgruppen, Mentor*innen) ist es jederzeit möglich, einzelne, zugespitzte Situationen zu erkennen und zu bewältigen.
Werden Kinder durch so viel Freiheit nicht vernachlässigt?
Kinder wählen zu lassen, womit sie sich beschäftigen wollen, bedeutet nicht, sie zu vernachlässigen. Die Mitarbeiter*innen sind für die Kinder da, kümmern sich um sie, stehen ihnen zur Verfügung.
Vernachlässigung wird durch die Aufmerksamkeit der Mentor*innen/Mitarbeiter*innen verhindert, die persönliche Ansprechpersonen für einzelne Schüler*innen sind und mit diesen in einem engen Kontakt stehen.